futureSAX-Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Seeberger

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"Die Transformation der Chemie ist eine Generationenaufgabe, dazu braucht es neue Ideen, einen starken Willen und einen langen Atem“

 

Im Interview mit Prof. Dr. Dr. h.c. Peter H. Seeberger, Direktor, Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung haben wir über das in Delitzsch enstehende Großforschungszentrum: Center for the Transformation of Chemistry, über die Bedeutung der Chemie für die Industrie und über die Wahl des Standortes gesprochen.

futureSAX: Sehr geehrter Prof. Seeberger, wir freuen uns sehr, Sie als Keynote-Speaker auf dem futureSAX-Innovationsforum am 21. März 2024 in Delitzsch begrüßen zu dürfen! Anlass ist die Entstehung des Großforschungszentrums „Center for the Transformation of Chemistry“ – kurz CTC. Welche Mission verfolgt das CTC?

Prof. Peter H. Seeberger: Die Mission des CTC ist es dazu beizutragen, die Chemie in eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft umzuwandeln. Die chemische Industrie funktioniert noch immer überwiegend linear und ist stark von Erdöl und Erdgas abhängig. Ausgangsstoffe, Prozesse und Produkte müssen neu gedacht werden, um künftig chemische Produkte herzustellen, die vorrangig aus nachwachsenden oder recycelten Materialien bestehen. Wir wollen diesen Ansatz wissenschaftlich vorantreiben und verfolgen dabei einen transdisziplinären Ansatz mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft.

Das CTC arbeitet von Anfang an in der Grundlagenforschung eng mit der Industrie zusammen. Nicht als verlängerte Werkbank, sondern an grundlegenden Fragen, die langfristig völlig neue Möglichkeiten eröffnen und auch Herausforderungen mit praktischer Relevanz adressieren. 

futureSAX: Wie soll die Mission erfüllt werden? Welche Meilensteine sind hierfür vorgesehen?

Prof. Peter H. Seeberger: Die Transformation der Chemie ist eine Generationenaufgabe, dazu braucht es neue Ideen, einen starken Willen und einen langen Atem. Auch beim Aufbau des CTC.  Wir haben Anfang 2023 eine dreijährige Aufbauphase begonnen. Aktuell legen wir fest, was und wo genau wir bauen und woran konkret geforscht wird. Vor gut einem Jahr haben wir temporäre Räumlichkeiten in Delitzsch angemietet, inzwischen eine Verwaltung etabliert und erste Wissenschaftler eingestellt, weitere kommen demnächst. Im November wurde die Eckpunkte der Bund-Länder-Vereinbarung zur Finanzierung des CTC unterzeichnet. Seit Mitte Februar dieses Jahres ist klar, dass unser zweiter Standort in Sachsen-Anhalt auf dem Gelände der Hochschule Merseburg entstehen wird.

Weiterhin vernetzen wir uns mit bestehenden Universitäten, Hochschulen und Forschungszentren in Mitteldeutschland. Schon während der Aufbauphase arbeiten wir an ersten Projekten. Und nach der offiziellen Gründung als eigenständige Einrichtung, die voraussichtlich in diesem Jahr stattfindet, können wir noch schneller agieren, um möglichst bald in die Umsetzung zu kommen.

futureSAX: Wie finden die Ergebnisse der Grundlagenforschung zur Chemie ihren Weg in die praktische Anwendung?

Prof. Peter H. Seeberger:   Das CTC arbeitet von Anfang an in der Grundlagenforschung eng mit der Industrie zusammen. Nicht als verlängerte Werkbank, sondern an grundlegenden Fragen, die langfristig völlig neue Möglichkeiten eröffnen und auch Herausforderungen mit praktischer Relevanz adressieren. Unser enger Austausch und die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen, aber eben auch mit der Industrie spielen dabei eine maßgebliche Rolle. Mehr als 140 Firmen sowie Unternehmen wie BASF, BMW und Microsoft hatten währen der Antragsphase Interesse bekundet, mit uns zusammenzuarbeiten. Derzeit werden die ersten Zusammenarbeitsvereinbarungen unterzeichnet und gemeinsame Forschung auf den Weg gebracht.

futureSAX: „Chemie ist überall“ – welche Branchen werden von einer Transformation in der Chemie-Industrie profitieren?

Prof. Peter H. Seeberger:  Fast alle Bereiche unseres Lebens haben mit Chemie zu tun. Mehr als 95 Prozent der Produkte, die wir in Deutschland konsumieren, sind chemisch hergestellt oder behandelt. Nehmen wir z. B. die Automobilindustrie: in jedem Auto werden Plastikteile, Klebstoffe, Lacke und Farben verarbeitet. Je mehr wir davon künftig recyclen können, umso besser. Ein weiterer Bereich ist Bauen und Wohnen. Die meisten Baumaterialien sind Chemie, ebenso wie Möbel. Und natürlich spielen Windenergie und Photovoltaik eine große Rolle. Hier müssen wir uns überlegen, wie solche Anlagen in der Zukunft aussehen könnten, um wiederverwendet werden zu können und kaum oder keinen Sondermüll zu produzieren.

Das futureSAX-Innovationsforum

Chemie als Baustein der Zukunft

21. März 2024 | 13:00 - 20:00 Uhr | Bürgerhaus Delitzsch

Zur Anmeldung

futureSAX: Warum fiel die Wahl auf Delitzsch als Hauptsitz des CTC? Welchen Impact erwarten Sie für die regionale Wirtschaft?

Prof. Peter H. Seeberger: Delitzsch und das Mitteldeutsche Revier sind schon immer durch die Chemie geprägt. Die Lage des CTC knüpft damit an die lange Tradition im Chemiedreieck Halle-Merseburg-Bitterfeld an. Zudem bietet sich das Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik bestens an, um bereits bestehenden Grund und Boden zu nutzen. Geplant ist ein Campus mit dem Neubau des Forschungszentrums, angrenzenden Wohnquartieren und einem eigenen S-Bahn-Anschluss mit Verbindungen nach Leipzig und Halle. Einen zweiten Standort wird es in Merseburg geben. Bis 2038 werden am CTC selbst rund 700 Arbeitsplätze in Delitzsch und 300 in Merseburg entstehen. Darüber hinaus wird forschungsnahe Industrie entstehen und so werden weitere Fachkräfte angezogen, für die eine Zusammenarbeit mit dem CTC attraktiv ist und die sich entsprechend in der Region ansiedeln.

Mehr zum Center fort he Transformation of Chemistry erfahren Sie hier: https://transforming-chemistry.org/

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