futureSAX-Interview mit Felix Blobel und Sebastian Voigt

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„Wandeldarlehen sind kostengünstig und unkompliziert.“

futureSAX-Interview mit Felix Blobel und Sebastian Voigt, Rechtsanwälte, Noerr

Wandeldarlehen haben den großen Vorteil, die Festlegung einer Unternehmensbewertung des Start-ups zu vermeiden bzw. diese auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben und sind daher besonders bei jungen, schnell wachsenden Unternehmen beliebt. Im futureSAX-Interview mit Felix Blobel und Sebastian Voigt, Rechtsanwälte bei der Noerr, geben Sie spannende Einblicke in die Finanzierungsform sowie sich ergebende Vor- und Nachteile.

futureSAX: Herr Voigt, Herr Blobel, Sie sind Rechtsanwälte und schwerpunktmäßig im Bereich Private Equity / Venture Capital tätig. Bitte stellen Sie sich und Ihr Tätigkeitsfeld kurz vor.

Felix Blobel, Sebastian Voigt: Wir sind Partner im Berliner bzw. Dresdner Büro von Noerr, einer führenden europäischen Wirtschaftskanzlei mit mehr als 500 Anwältinnen und Anwälten. Wir beraten nationale wie internationale Finanzinvestoren und Corporate VCs bei ihren Investitionen, sowie Unternehmen und Gründer im Zusammenhang mit Eigenkapitalfinanzierungen und Finanzierungsrunden – sowohl in den nach wie vor wachsenden Marktsegmenten der digitalen Wirtschaft wie Fintech, Insurtech, IoT oder KI-basierten Anwendungen als auch in verschiedenen Technologiebereichen, z.B. Biotech, Cleantech oder Proptech. Von unseren Büros in Deutschland, CEE, London und New York aus haben wir uns eine führende Position als aktiver Player im gesamten Markt erarbeitet.

futureSAX: Die aktuellen globalen Herausforderungen und Entwicklungen am Finanzmarkt wirken sich auch auf das Geschehen im Venture Capital-Bereich aus. Was bedeutet das konkret für Unternehmen, die derzeit auf Kapitalsuche sind?

Sebastian Voigt: Es wird sicher nicht leichter: Das Geld der Investoren sitzt nicht mehr so locker, die Unternehmensbewertungen sinken (oder normalisieren sich – je nach Perspektive) und das sog. Funding Gap für spätphasige Finanzierungen wird größer. Andererseits eröffnen sich auch neue Chancen, z.B. im Bereich nachhaltiger Investments und ESG-Themen. Die USA bleiben sicherlich einer der Treiber neuer Entwicklungen im VC Markt, so dass sich für neue Finanzierungstrends auch immer ein Blick über den Teich lohnt (Stichwort SAFE’s). Im Frühphasenbereich sind wir allerdings für den deutschen Markt, gerade auch angesichts der mittlerweile recht guten Förderlandschaft und des Engagements von Business Angels, aktuell ganz zuversichtlich.

Die Gründer ersparen sich zeitraubende und manchmal auch schmerzhafte Diskussionen über die Unternehmensbewertung ."

Felix Blobel, Rechtsanwalt, Noerr

futureSAX: Eine Möglichkeit, Kapital von Investoren einzuwerben und dabei die Festlegung der Unternehmensbewertung zeitlich zu verschieben, bietet das sogenannte Wandeldarlehen. Was genau versteckt sich hinter diesem Finanzierungsinstrument und welche Vorteile bietet es?

Felix Blobel: Das Wandeldarlehen ist zunächst ein „normaler“ Darlehensvertrag, mit dem ein Investor dem Unternehmen frisches Geld zu Verfügung stellt. Zusätzlich beinhaltet der Vertrag das Recht oder die Pflicht zur sog. Wandlung: Statt der Rückzahlung des Darlehensbetrages erhält der Darlehensgeber also Unternehmensanteile, deren Umfang sich in der Regel an der Bewertung zukünftiger Finanzierungsrunden (in der Regel mit einem gewissen prozentualen Abschlag) orientiert.

Wandeldarlehen sind kostengünstig und unkompliziert:

Es haben sich mittlerweile Standards für Wandeldarlehensverträge entwickelt, auf die man gut aufsetzen kann und die helfen, die Diskussionen zwischen Unternehmen und Investor auf die wesentlichen Punkte zu lenken. In der Regel muss man nicht zum Notar, so dass keine Notarkosten anfallen. Die Gründer ersparen sich zeitraubende und manchmal auch schmerzhafte Diskussionen über die Unternehmensbewertung - zumindest vorläufig. Insbesondere, wenn man von den gängigen Standards abweichen will, empfiehlt es sich allerdings auf jeden Fall, anwaltliche Beratung einzuholen.

futureSAX: Und welche Nachteile gibt es?

Sebastian Voigt: Sie können die Unternehmen durchaus teuer zu stehen kommen: Es fallen Zinsen an, die sich im aktuellen Marktumfeld eher nach oben bewegen werden. Zudem werden die Wandeldarlehensgeber einen Discount auf die Bewertung der nächsten Finanzierungsrunde verlangen, so dass die Gründer und bisherigen Investoren stärker verwässern. Und die Tücken stecken oft im Detail: Besteht eine Wandlungspflicht, um das Unternehmen vor Liquiditätsengpässen oder gar einer Insolvenz bei Fälligkeit des Darlehens zu schützen, oder gibt es nur ein Wandlungsrecht? Muss das Unternehmen bei Wandlung von Zinsen Kapitalertragssteuer einbehalten? Welche Auswirkungen haben Bewertungscap und Discount auf zukünftige Finanzierungsrunden. Wie funktioniert konkrete die Most-Favoured-Nations Klausel? Gerade wenn Start-Ups eine Vielzahl von Wandeldarlehen mit teilweise unterschiedlichen Terms ausgeben, kann man zudem leicht den Überblick verlieren.

futureSAX: Welchen praktischen Tipp können Sie Unternehmen geben, die sich aktuell mit einem Wandeldarlehen beschäftigen?

Felix Blobel: Zwar existieren im VC- und Start-Up-Markt wie bereits erwähnt seit längerem Vertragsmuster für Wandeldarlehen mit den gängigen Klauseln – um deren Mechanismen zu verstehen, Risiken einzuschätzen und Gestaltungsspielräume nutzbar zu machen, ist eine auf den einzelnen Finanzierungsanlass bezogene anwaltliche Beratung allerdings unerlässlich. Wenn man sich nur auf Formulare verlässt, kann es schnell schief gehen. Zum anderen sollte man alternative Finanzierungsformen nicht außer Acht lassen, da das Wandeldarlehen zwar oft, aber nicht immer das richtige Instrument sein muss. Schließlich ist es aus praktischer Sicht auch zu empfehlen, ggf. mehrere Darlehensgeber in einem Vertrag zu bündeln, anstatt lauter Einzelverträge mit u.U. abweichenden Regelungen abzuschließen. So behält man leichter den Überblick.

futureSAX: Vielen Dank für die spannenden Einblicke, lieber Herr Voigt und Herr Blobel! 

Vertiefende Einblicke in das Finanzierungsinstrument Wandeldarlehen sowie praktische Erfahrungen anhand eines Best-Practice-Beispiels gibt es am 1. Februar 2023 um 17:00 Uhr in der futureSAX Online-Veranstaltung Innovation Konkret: „Wandeldarlehen als unkompliziertes Finanzierungsinstrument für schnell wachsende Unternehmen“. Hier geht’s zum Programm und zur Anmeldung: Innovationskraft: Wandeldarlehen als unkompliziertes Finanzierungsinstrument für schnell wachsende Unternehmen.

 Mehr zu Felix Blobel Sebastian Voigt und Noerr erfahren Sie hier.

Ihre Ansprechpartnerin bei futureSAX

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Claudia Landrock

Senior Projektmanagerin

Investorennetzwerk & Wachstumsfinanzierung

Menschen miteinander vernetzen – das begeistert Claudia Landrock. Bevor die gebürtige Zwickauerin ihr Bachelor-Studium in Wirtschaftswissenschaften an der TU Dresden absolvierte, sammelte sie ein Jahr als Au Pair in Australien und Frankreich Auslandserfahrung. Einem mehrmonatigen Praktikum in den USA folgte ihr Master-Studium in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg. Im Anschluss unterstützte und begleitete sie im Innovations- und Gründungszentrum in Regensburg technologieorientierte Gründungen und digitale Start-ups von der ersten Idee bis zur Finanzierungsrunde und entwickelte das regionale Gründungsökosystem mit weiter. 

Die Faszination für Innovation und Gründung wurzelt auch in ihrem studentischen Engagement bei „enactus Regensburg“. Nach wie vor unterstützt sie ehrenamtlich junge Gründungsprojekte als Mentorin bei StartUP Teens und setzt sich zudem als Vorsitzende der AG Start-up Förderung bei einem digitalpolitischen Verein für bessere Bedingungen für Start-ups auf Bundesebene ein.

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