futureSAX-Interview mit Dr. Tanja Jovanovic

  1. futureSAX - Innovationsplattform des Freistaates Sachsen
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„Wenn Menschen miteinander interagieren, entstehen Innovationen.“

Dr. Tanja Jovanovic, Leiterin Technologie- und Innovationsmanagement bei Bayern Innovativ spricht im Interview über Bayern Innovativ und die Rolle in der bayerischen Innovationspolitik. Sie beschreibt die Mission, Meilensteine und Herausforderungen im Technologietransfer und betont die Bedeutung eines agilen und nutzerorientierten Mindsets, gibt Tipps für niedrigschwellige Innovationsmethoden und hebt die Vorteile der Open Innovation hervor.

futureSAX: Sehr geehrte Frau Dr. Jovanovic, Bayern Innovativ ist bereits seit 1995 ein wesentlicher Bestandteil der bayerischen Innovationspolitik. Bitte beschreiben Sie uns kurz Ihre Mission sowie die größten Meilensteine, die seit der Gründung erreicht wurden.

Dr. Tanja Jovanovic: Bayern Innovativ ist die Organisation des Freistaats für Innovation, Technologie- und Wissensmanagement an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Wir treiben Innovationen aus einer neutralen Position voran und stärken damit den Wirtschaftsstandort Bayern – das ist unsere Mission. Sämtliche Aktivitäten sind darauf ausgelegt, das Innovationspotenzial von KMU aus Bayern mittels kreativen und kollaborativen Methoden zu fördern.
Wir wurden 1995 gegründet und haben seitdem wahnsinnig viel erreicht – und tun es weiterhin mit Erfolg. Seit unserem ersten Netzwerk und ersten Symposium sowie unseren ersten Messeständen in 1997 bzw. 1998 haben wir noch weitere Highlights. Wir sind seit 1998 Geschäftsstelle des europaweiten Forums MedTech Pharma und hatten im Jahr 2006 das Management von 5 Clustern inne – damals noch mit 50 Mitarbeitenden rund um das Jahr 2005/06. Im Jahr 2016 übernahm unser heutiger CEO Dr. Rainer Seßner die Geschäftsführung – seitdem leben wir aktiv eine agile Arbeitsweise, digitale Prozesse und wachsen kontinuierlich. So sind seit dem Jahr 2020 u.a. Bayern Kreativ, das Patentzentrum Bayern und das ehemalige Zentrum Digitalisierung Bayern Teil der Bayern Innovativ. Wir beschäftigen heute mehr als 300 Mitarbeitende an vier Standorten – mit Hauptsitz in Nürnberg. Als Projektträger Bayern verwalten wir zudem ein Fördervolumina von über 160 Mio. Euro. Mein Bereich Innovationsmanagement wurde ebenfalls 2020 etabliert – ein Highlight für mich, da ich den Bereich mit einem starken Team aufbauen konnte. Für uns als Wirtschaftsförderung ist es wichtig, wenn wir sehen, wie erfolgreich unsere Kunden sind und sie strahlen lassen können.  

futureSAX: Welche Herausforderungen im Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft konnten Ihrer Ansicht nach bisher gelöst werden und welche zukünftigen Szenarien stehen uns sowohl in Bayern, Sachsen sowie auf Bundesebene bevor?

Dr. Tanja Jovanovic: Der Technologietransfer nimmt eine zunehmend bedeutende Rolle ein, wenn wir über Innovation sprechen – das ist klar. 
In der Vergangenheit wurde bereits großes geleistet, um Transfer zu fördern. Beispielsweise war die Frage, wie geistiges Eigentum zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen aufgeteilt wird, lange Zeit eine Herausforderung. Heute sind Lizenzvereinbarungen oder gemeinsame Patente etabliert. Das Thema bleibt aber im Zuge der Open Innovation auch ein Diskussionspunkt. Kollaborative Netzwerke ist ein weiterer Punkt, der die Trennung zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu Gunsten gemeinsamer Forschungsprojekte für Lösungen für reale Probleme arbeiten – und so die Lücke zwischen Theorie und Praxis schließen. Außerdem gibt es eine beachtliche innovationsfördernde staatliche Finanzierung und Risikokapital, z.B. für Start-ups, um innovative Projekt verfolgen zu können. 
Wir sehen aber auch weiter Raum für Weiterentwicklung, denn Trends wie Digitalisierung, Internationalisierung, Wissenskultur und neue Arbeitswelten bergen neue Chancen. Um das Thema strategisch zu betrachten, haben wir eine Szenariostudie zum Technologietransfer der Zukunft erarbeitet, in der wir vier mögliche Szenarien in 2030 betrachten. Damit stellen wir uns schon heute den
Themen, die wir angehen müssen: 
Ausbau digitaler Kompetenzen, um die Transferlandschaft im Hinblick auf die neue digitalaffine Generation gut aufzustellen und die Möglichkeiten neuer Technologien, u. a. für schnellere Prozesse und Bürokratieabbau, umfassend zu nutzen – nur so lässt sich der schnelllebige, dynamische Wandel mitgestalten. Neue Technologien wie künstliche Intelligenz, Gentechnik oder autonomes Fahren erfordern einen sorgfältigen Umgang mit ethischen Überlegungen und die Einbindung der Gesellschaft als Transferakteur. Der Mehrwert für die Gesellschaft muss klar adressiert werden. Da wären wir bei der Nutzerorientierung im Transfer.
Viele bahnbrechende Innovationen entstehen an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen, d.h. die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Ingenieuren, Designern und Unternehmern muss gefördert werden.
Wir müssen schneller werden, d.h. innovative Lösungen schneller auf den Markt bringen und skalieren. Das Thema Mindset spielt für all dies eine entscheidende Rolle. 
 

futureSAX: Welches Mindset ist erforderlich bzw. dienlich, um proaktiv Transfer in Forschungseinrichtungen und Unternehmen erfolgreich durchzuführen? Wie kann das Mindset potenziell innovativer Köpfe dahingehend gestärkt werden?

Dr. Tanja Jovanovic: Im Mindset muss verankert werden, dass Transfer agil, nutzerorientiert, co-kreativ gestaltet werden muss. Außerdem muss das Neu denken zugelassen werden – neue Herausforderungen brauchen kreative Lösungen. Und der Mensch muss in den Mittelpunkt des Transfers rücken. 
Innovatoren sollten daher offen sein für neue Perspektiven und über traditionelle Fachgrenzen hinweg denken. Wichtiger ist auch der Kunde bzw. Lösung: Produkte und Dienstleistungen schaffen, die reale Probleme lösen und einen echten Mehrwert bieten. Kundenfeedback sollte in den Innovationsprozess einfließen, um sicherzustellen, dass die entwickelten Lösungen tatsächlich relevant sind. Das erfordert ein ganz anderes Mindset in der Entwicklung. 
Die Technologielandschaft verändert sich rasant, daher ist die agile, schnelle Reaktion auf Veränderungen elementar. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen schneller in die Praxis. Und was wir unbedingt fördern müssen, ist unternehmerisches Denken. 
Das bedingt die Schaffung eines innovationsfreundlichen Umfelds, d.h. auch eine Kultur der Offenheit, des kreativen Experimentierens, der Disziplin und der Neugier.
 

Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man diese Herausforderungen nicht alleine meistern muss und dass die Einbindung von externem Know-how extrem wichtig ist.

futureSAX: Welche (niedrigschwelligen) Methoden des zukunftsfähigen Innovierens stehen prinzipiell jeder Forschungseinrichtung und jedem KMU zur Verfügung? Ab wann sollte eine externe Expertin/ ein externer Experte hinzugezogen werden, um Transfer- und Innovationsmanagement in der eigenen Einrichtung zu etablieren?

Dr. Tanja Jovanovic: Es gibt eine Vielzahl von Methoden für jede Phase des Innovationsprozesses. Wir arbeiten gerade an einem Leitfaden, um genau diese Methoden KMU einfach zugänglich zu machen. 
Grundsätzlich kann ich klein anfangen, z.B. mit Kreativmethoden, um Ideen zu generieren im Team. Beispiele hier sind Brainstorming oder Kopfstand – eine beliebte Methode, um die Frage auf den Kopf zu stellen. Erste Konzepte sollten auch möglichst rasch getestet und greifbar werden – mit Prototyping gelingt ein niederschwelliges Testing. Wichtig bei allem ist den Blick für den Markt und Trends zu haben – z.B. mit Technologiemonitoring oder Szenarien, etwas komplexer, aber super wertvoll.
Expertise sollte einbezogen werden, wenn man nicht über die erforderliche Expertise im Innovationsmanagement verfügt, wenn man Schwierigkeiten hat, Innovationen schnell auf den Markt zu bringen oder wenn man eine klare Innovationsstrategie entwickeln möchte. Außerdem kann ein erfahrener Experte einfach Zugang zu Branchenpartnern, Investoren, Universitäten und anderen Akteuren herstellen oder methodisch unterstützen. Das ist was wir täglich tun – und daher auch das Wissen gerne weitergeben. 

futureSAX: Eine Methode des Wissens- und Technologietransfers ist die Open Innovation. Welche Vorteile hat dieser Ansatz gegenüber „geschlossenen“ Kooperationen und worin liegen mögliche Risiken?

Dr. Tanja Jovanovic: An Open Innovation führt aus meiner Sicht kein Weg vorbei. Während früher stark in Silos gedacht wurde, ist der Blick über den Tellerrand heute ein entscheidender Erfolgsfaktor und der Schlüssel zu neuen Ideen. Wir sehen vor allem in der heutigen Zeit einen hohen Wettbewerbsdruck. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man diese Herausforderungen nicht alleine meistern muss und dass die Einbindung von externem Know-how extrem wichtig ist. Man kann Kosten und Risiken teilen, das Wissen über Kunden, Märkte und Technologien steigern, den Innovationsprozess beschleunigen und auch neue Absatzmöglichkeiten sowie Geschäftsfelder öffnen. Das geschieht, indem Unternehmen externe Kunden, Lieferanten und andere Partner in den Entwicklungsprozess einbinden. Oder eben Forschung aktiv auf Unternehmen eingeht. Es gibt aber auch die Möglichkeit, kleiner anzufangen, indem man sich in Cluster – und Netzwerkaktivitäten engagiert oder gezielt auf Start-ups zugeht. Letztendlich ist es so: Wenn Menschen miteinander interagieren, entstehen Innovationen. 

futureSAX: Sehr geehrte Frau Dr. Jovanovic , wir freuen uns auf Ihre Keynote auf dem Sächsischen Transferforum „TransfERleben in Leipzig“.

Mehr zu Bayern Innovativ erfahren Sie hier:

https://www.bayern-innovativ.de/de
https://www.bayern-innovativ.de/de/beratung/uebersicht-technologie-und-innovationsmanagement/technologietransfer-transferleben
 

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