futureSAX-Interview mit Prof. Dr. Gianaurelio Cuniberti

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Im Interview mit Prof. Dr. Gianaurelio Cuniberti, Professor für Materialwissenschaft und Nanotechnik an der TU Dresden haben wir über die essenzielle Rolle von Materialien für Innovationen, die Vorteile von Nanostrukturen in der Sensortechnologie und das transformative Potenzial der Nanotechnologie für zukünftige Anwendungen in Wirtschaft und Gesellschaft gesprochen.

futureSAX: Sehr geehrter Prof. Cuniberti, geben Sie uns einen Einblick in die Mission der Professur für Materialwissenschaften und Nanotechnik und erzählen Sie uns mehr über die Forschungslinie, die Sie und Ihr Team verfolgen.

Prof. Gianaurelio Cuniberti: Wir befassen und mit der Entdeckung und Entwicklung von Nanomaterialien und deren Integration in innovative Anwendungen, nach dem Motto: No materials no party. Materialien sind essenziell für Innovationen, das Bundesministerium für Bildung und Forschung schätzt, dass 60% der Innovationen in Deutschland auf neuen Werkstoffen basieren. Dabei zeigt sich, dass wir uns in einem besonderen Umfeld bewegen: der Abstand von Grundlagenforschung zur angewandten Forschung ist sehr klein, Neuentwicklungen finden schnell den Weg zum Markt.

Konkret stehen bei uns die Entwicklung neuartiger Sensoren und ihrer Anwendung sowie Nanomaterialien für die Umwelttechnik im Zentrum. Ein weiterer Schwerpunkt ist die rechnergestützte Entdeckung und Entwicklung von Materialien. Dieses Feld hat in den letzten 10 bis 15 Jahren enorm von Neuentwicklungen der Rechnertechnik und dem Einzug künstlicher Intelligenz in die Forschung profitiert und gilt inzwischen als eine eigene Säule der Materialforschung.

„Der Abstand von Grundlagenforschung zur angewandten Forschung ist sehr klein, Neuentwicklungen finden schnell den Weg zum Markt."

futureSAX: Eines Ihrer Forschungsfelder ist die (Bio-)Sensorik. Welche Vorteile in der Anwendung ergeben sich für die Sensortechnologie durch die Verwendung von Nanostrukturen?

Prof. Gianaurelio Cuniberti: Die von uns eingesetzten Nanostrukturen bringen den Vorteil, dass sie die Sensoren empfindlicher und spezifischer machen. Dies liegt zum einen daran, dass sie eine große Oberfläche im Vergleich zu ihrem Volumen aufweisen und dadurch stärker auf die nachzuweisenden Analyten reagieren. Die gezielte Funktionalisierung mit maßgeschneiderten Molekülen macht die Sensoren zudem spezifischer für die Detektion der Zielmoleküle. Einen weiteren großen Technologiesprung ermöglichte die Kombination von Sensortechnik und Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen. Die Muster, wie Zielmoleküle im Sensor reagieren, werden ausführlich analysiert und dienen im späteren Einsatz des Sensors dazu, diese Moleküle schneller und einfacher zu erkennen und aus komplexen Mischungen „herauszuschnüffeln“.

futureSAX: Welche Anwendungen für Wirtschaft und Gesellschaft sind bereits heute durch die Forschung an Nanotechnologie möglich – und welche werden in Zukunft möglich sein?

Prof. Gianaurelio Cuniberti: Die Nanotechnologie ist eine sogenannte Querschnittstechnologie, das bedeutet, sie findet Eingang in viele Bereiche und Zweige von Wirtschaft und Gesellschaft. Smartphones oder moderne Computer sind auf sie angewiesen, aber auch selbstreinigende Oberflächen, Sonnencremes oder schmutzabweisende Kleidungsstücke beruhen auf Nanotechnologie. Und in Zukunft werden technische Systeme durch die Nanotechnologie immer leistungsfähiger, bekommen neue Funktionalitäten und Schnittstellen zu ihrer Umgebung. Als Beispiel möchte ich hier Roboter nennen, deren Sinne erweitert werden: durch künstliches Riechen können sie Geruchsquellen eigenständig aufspüren und beispielsweise versteckten Sprengstoff identifizieren oder zu rettende Personen nach einem Erdbeben in unwegsamen Gelände auffinden.

futureSAX: Ihr Impuls adressiert Digital Olfaction, also den digitalen Geruchssinn. Was genau hat es damit auf sich und welche Veränderungen kann diese Technologie anstoßen?

Prof. Gianaurelio Cuniberti: Mit dem digitalisieren Geruchssinn, sogenannten elektronischen Nasen, ist es möglich, ultrakleine Konzentrationen von gasförmigen Stoffen eindeutig und zuverlässig zu identifizieren. Dies kann man sich zu Nutze machen, um Krankheiten, mit denen bestimmte Biomarker einhergehen, frühzeitig und noch vor Beginn der ersten Symptome nachzuweisen. Als Beispiel möchte ich hier die Parkinsonsche Krankheit nennen, die durch die Anwesenheit von einigen wenigen Molekülen nachweisbar ist. Wenn es uns nun gelingt, genau diese Stoffe nachzuweisen, haben wir ein schnelles und zuverlässiges Diagnoseinstrument, das die Krankheit 10 bis 15 Jahre vor ihrem eigentlichen Ausbruch erkennen kann. Bestimmte Krebsarten, Alzheimer-Demenz und weitere neurodegenerative Erkrankungen lassen sich zukünftig ebenfalls durch elektronische Nasen nachweisen. Aber auch in der Sicherheitstechnik oder der Lebensmittelüberwachung können künstliche Nasen Anwendungen finden und zu wirklichen Gamechangern werden.      

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futureSAX: Wie finden die Erkenntnisse Ihrer Forschungsarbeit den Weg in die Wirtschaft? Welche Innovationen haben Sie bereits in die Anwendung gebracht?

Prof. Gianaurelio Cuniberti: Wie bereits erwähnt, ist der Weg neuer Materialien in die Anwendung sehr kurz. Mehrere unserer Ergebnisse aus der Sensorentwicklung für die medizinische Diagnostik sind reif für die Anwendung und werden in Kürze ihren Weg in die Wirtschaft finden. Dabei können sie auf erfolgreiche Vorbilder blicken:  Startups zu den Themen Materialbearbeitung für die Halbleiterindustrie und künstlichem Riechen, die aus unserer Professur hervorgegangen sind, konnten sich bereits auf dem Markt etablieren und Finanzierungsrunden bzw. Exits mit einem Gesamtumfang von ca. 140 Millionen Euro realisieren.

Mehr zur Professur für Materialwissenschaft und Nanotechnik erfahren Sie hier: nano.tu-dresden.de/

Ihr Ansprechpartner bei futureSAX

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Michael Kelber

Senior Projektmanager

Technologietransfer

Nach seinem Studium der Architektur war Michael Kelber mehrere Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Transferbereich zwischen Wissenschaft und Innovation an der Wissensarchitektur – Laboratory of Knowledge Architecture der Technischen Universität Dresden tätig. Schwerpunkt seiner Forschung und Lehre lag auf den Gebieten des Wissensmanagements und Entrepreneurships sowie der Methodenvermittlung zur Entwicklung von Geschäftsideen und der Ausschöpfung von Innovationspotentialen. Parallel dazu begleitete Herr Kelber ein vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziertes Forschungsprojekt zum Aufbau und zur Vertiefung von Innovationskapazitäten im sächsisch-polnischen Grenzraum. Durch die Teilnahme an internationalen Forschungskonferenzen und dem Akademischen Austausch mit der Waseda Universität in Tokyo sind Herrn Kelber kulturübergreifende Herangehensweisen und Verfahren zur Entwicklung von Forschungsprojekten und Geschäftsideen vertraut. In seiner Freizeit unterstützte er zuletzt in einer aktiven Rolle die Vorbereitungsphase einer Ausgründung und engagiert sich als Ordentliches Mitglied beim Filmverband Sachsen. 

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