futureSAX-Interview mit Heiko Gebauer
„Wir freuen uns darüber, direkt mit Firmen zusammenzuarbeiten."
futureSAX-Interview mit Heiko Gebauer, Projektleiter Data Mining und Wertschöpfung Fraunhofer IMW

Prof. Dr. Heiko Gebauer ist Leiter des Projekts Data Mining und Wertschöpfung am Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW und Gastprofessor für Internationales und Strategisches Management an der Linköping Universität in Schweden und an der Universität St. Gallen in der Schweiz. Seit April 2018 läuft das Forschungsprojekt zum ökonomischen Wert von Daten und Digitalisierung sächsischer Unternehmen. Ein Projekt, das laut dem Sächsischen Wirtschaftsminister Martin Dulig eine neue Tür in die digitale Zukunft öffnet. Das Gemeinschaftsprojekt des Fraunhofer IMW und der Universität Leipzig will in den kommenden Jahren sächsischen Unternehmen zu neuem Wissen und Erfolg verhelfen. Wie erzählt uns Prof. Dr. Gebauer,Projektleiter Data Mining und Wertschöpfung, im Interview.
futureSAX: Herr Prof. Dr. Gebauer, bitte beschreiben Sie kurz die Forschungsschwerpunkte und Kernkompetenzen des Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW im Hinblick auf das Thema Digitalisierung und Mittelstand.
Heiko Gebauer: Das interdisziplinäre Forschungsteam des Fraunhofer IMW unterstützt Kunden und Partner aus Wirtschaft, Industrie, Politik, Forschung und Gesellschaft dabei, von Globalisierung und Digitalisierung als Motor für Innovationen zu profitieren. Wir beschäftigen uns damit, wie Wissen in Innovationen und Wertschöpfung umzuwandeln ist. Dabei geht es uns darum, die Rahmenbedingungen für derartige Prozesse zu verstehen, den Wissenstransfer zu organisieren und schließlich gemeinsam mit Kunden und Partnern zu gestalten. Die Digitalisierung spielt dabei eine große Rolle. Sie beeinflusst öffentliche Sektoren wie Gesundheit, Bildung und Finanzen genauso wie den Privatsektor. Zu diesen Aspekten gibt es rund 90 Forschungsprojekte im Jahr am Institut, darunter den Assistenzroboter in der Pflege, die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine oder Crowdfunding als neuartiges Finanzierungsmodell. Wir forschen fokussiert für den Mittelstand, zum Beispiel mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum eStandards Offene Werkstatt c/o Fraunhofer IMW.
futureSAX: Das Fraunhofer IMW bearbeitet gemeinsam mit der Universität Leipzig das Projekt „Data Mining und Wertschöpfung“. Welche Inhalte und Ziele verfolgt das Projekt? Welche Arten von Daten (Produktion, Vertrieb, Administration etc.) werden im Projekt betrachtet?
Heiko Gebauer: Im Projekt bemessen wir den Wert von Daten. Bei Maschinenbauern sind das beispielsweise Daten über die Nutzung der Maschinen, die von Sensoren erfasst werden. In der verarbeitenden Industrie handelt es sich um Qualitätsdaten. Viele Unternehmen arbeiten außerdem mit Kundendaten wie Vertragsdokumenten oder mit Geodaten. Das Projektteam am Fraunhofer IMW zeigt, wie aus diesen Daten neue Wertschöpfung entstehen kann. Um besser zu verstehen, welche Daten schon vorhanden sind und wie sie genutzt werden, haben wir bisher mit rund 50 sächsischen Unternehmen gesprochen. Auch positive Beispiele aus deutschlandweit oder global agierenden Unternehmen haben wir uns angeschaut.
futureSAX: Die Digitalisierung ist insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine Herausforderung. Wie können sich sächsische Unternehmen konkret am Projekt „Data Mining und Wertschöpfung“ beteiligen und davon profitieren?
Heiko Gebauer: Wir freuen uns darüber, direkt mit Firmen zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit den Unternehmen erarbeiten wir in Workshops, wie mithilfe der Daten ein Mehrwert für das eigene Geschäft, für Kunden und Partner entstehen kann. Außerdem erklären wir verschiedene Aspekte der Datennutzung. Themen sind dann Blockchain und Text Mining oder notwendige Kompetenzen der Mitarbeitenden. Darüber hinaus haben wir Unternehmen identifiziert, mit denen wir Pilotprojekte starten können. In dieser Phase stecken wir gerade mittendrin. Das Projektteam an der Universität Leipzig arbeitet in diesen Pilotprojekten an der Umsetzung von Software-Lösungen. Denkbar sind Chatbots oder Plattform-Modelle.
"Wir beschäftigen uns damit, wie Wissen in Innovationen und Wertschöpfung umzuwandeln ist."
Heiko Gebauer, Projektleiter Data Mining und Wertschöpfung Fraunhofer IMW
futureSAX: Herr Prof. Dr. Gebauer, die Digitalisierung erfordert nicht nur neue technische Lösungen, sondern auch eine Transformation der Geschäftsmodelle und Unternehmenskultur. Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie hierin für die sächsische Wirtschaft?
Heiko Gebauer: Wichtig ist, dass man Digitalisierung als Chance, nicht als Risiko versteht. Das erfordert im ersten Schritt ein Umdenken, so dass alle im Unternehmen offen gegenüber den neuen digitalen Möglichkeiten sind. Klar gibt es immer Bedenken, dass Digitalisierung den Arbeitsplatz gefährdet. Da wollen wir gegensteuern und eine positive Einstellung gegenüber neuen Arbeitsprozessen und Wertschöpfungsmodellen fördern. Im zweiten Schritt ermöglicht eine offene Unternehmenskultur neue Gedankenprozesse. Die Mitarbeitenden kommen auf Ideen, wie Daten eingesetzt werden können, um digitale Services anzubieten, oder wie Daten das Geschäftsmodell erweitern. So eine Unternehmenskultur zu entwickeln – darin wollen wir sächsische Unternehmen unterstützen.
futureSAX: Das Fraunhofer IMW ist Teil des futureSAX-Know-how-Netzwerkes. Herr Prof. Dr. Gebauer, wie wichtig sind solche branchenübergreifenden Plattformen für den Wissens- und Technologietransfer?
Heiko Gebauer: Ich halte sie für sehr wichtig. Ein regelmäßiger Austausch trägt dazu bei, dass alle Mitglieder eines Netzwerkes von den Erfahrungen der anderen profitieren. Dadurch können wir unsere jeweiligen Ergebnisse aus Forschung und Praxis erweitern und uns gegenseitig unterstützen. Aber nur wenn wir ehrlich über unsere Erfolge und Misserfolge sprechen, können wir auch voneinander lernen. Denn wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht, verlieren wir den Anschluss an unsere Konkurrenten anderswo auf der Welt.
Mehr zum Fraunhofer IMW und dem Projekt „Data Mining und Wertschöpfung“ erfahren Sie hier und unter www.imw.fraunhofer.de