futureSAX-Interview mit Jan Reimann
„Durch andere Blickwinkel ist man gezwungen seine Komfortzone zu verlassen."
futureSAX-Interview mit Jan Reimann, Gruppenleiter Daten- und Informationsmanagement am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU

Agiles Projektmanagement ist mittlerweile schon oft Standard, agile Produktion hingegen für die meisten KMU eine echte Herausforderung. Das EU-Projekt „TRINITY - Digital Technologies, Advanced Robotics and increased Cyber-security for Agile Production in Future European Manufacturing Ecosystems “am Fraunhofer IWU soll die Unternehmen in ganz Europa dafür fit machen. Wie genau dies geschehen soll und welche Mehrwerte damit für die produzierenden Unternehmen entstehen, erzählt uns Dr.-Ing Jan Reimann im Interview.
futureSAX: Herr Dr.-Ing. Reimann, das Schlagwort Industrie 4.0 ist in aller Munde. Bitte beschreiben Sie uns kurz, welche Inhalte und Forschungsziele Sie am Fraunhofer IWU verfolgen und welche Relevanz Sie hierin für KMU sehen.
Jan Reimann: Der Begriff Industrie 4.0 hat für jeden Befragten eine andere Bedeutung. Großunternehmen wie Siemens denken bereits darüber nach, was nach der vierten industriellen Revolution kommt. Als Forscher müssen wir ebenfalls einen Schritt weiter denken und halten uns nicht an Begrifflichkeiten fest. Es zählen für uns die Inhalte und Mehrwerte, die durch Digitalisierung geschaffen werden – in konkreten Szenarien. Deshalb machen wir uns beim Thema Industrie 4.0 in vielen Anwendungsfällen Gedanken darüber, wie aus Daten neues Wissen abgeleitet werden kann. Bspw. kann man so die zu erwartende Qualität von den in einem Produktionsprozess zu verarbeitenden Bauteilen voraussagen und damit den Prozess selbst gezielt steuern und kontrollieren. Dadurch kann die Qualität der Teile schlussendlich im Gegensatz zur Vorhersage verbessert werden.
futureSAX: Sachsen ist das Land der Maschinen- und Anlagenbauer. Wo sehen Sie im Hinblick auf Industrie 4.0 die Stärken und Schwächen der Branche für die Zukunft und welchen Einfluss hat das Fraunhofer IWU auf die regionale Innovationskraft und insbesondere den Transfer von der Forschung in die Praxis?
Jan Reimann: Das Fraunhofer IWU ist eng vernetzt mit den produzierenden Unternehmen und dem Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen. Die Branche nutzt gebotene Fördermöglichkeiten gemeinsam mit dem Fraunhofer IWU und kann sich dadurch Vorlauf für neue Produkte und Dienstleistungen erarbeiten, was sicher zu ihren Stärken zählt. Aus eigener Kraft können viele Unternehmen – aufgrund ihrer Größe – diesen Vorlauf nicht realisieren. Das Fraunhofer IWU und auch die Fraunhofer-Gesellschaft insgesamt hat als Partner rund 60% KMU und leistet daher einen wichtigen Beitrag zur Innovationskraft der Unternehmen.
futureSAX: Herr Dr.-Ing. Reimann, vor kurzem ist das EU-Projekt „TRINITY - Digital Technologies, Advanced Robotics and increased Cyber-security for Agile Production in Future European Manufacturing Ecosystems“ am Fraunhofer IWU gestartet. Was steckt hinter dem Projekt, welche Partizipationsmöglichkeiten für den sächsischen Mittelstand gibt es und wie können insbesondere sächsische KMU von dem Projekt profitieren?
Jan Reimann: Mit dem Projekt wollen wir produzierende KMUs in ganz Europa wettbewerbsfähig machen – auch im internationalen Vergleich. Wir sind ein starkes Konsortium mit breiter Expertise, das von Prof. Minna Lanz von der Tampere University in Finnland koordiniert wird. Konkret unterstützen wir die Unternehmen dabei, ihre Produktion agiler zu machen. Das heißt, sie sollen besser in der Lage sein, auf sich ändernde Gegebenheiten und Anforderungen reagieren zu können. Als Schlüsselbereiche sehen wir hier die Robotik, das industrielle Internet der Dinge und Cyber Security. Hier tragen wir dazu bei, dass Technologien in die Wirtschaft transferiert und die KMU dadurch stärker werden. Um nah an der Realität zu bleiben und auf echte Probleme der KMU einzugehen, diktieren wir die Richtung nicht aus Forschungssicht. Deshalb kann der sächsische Mittelstand auf vielerlei Arten partizipieren. Durch Gespräche und in Workshops nehmen wir Impulse der sächsischen KMU auf. Uns interessiert besonders, vor welchen Herausforderungen Unternehmen stehen oder welche Hemmnisse es gerade gibt. Das heißt, KMU können durch ihre Offenheit und Teilnahme an den TRINITY-Veranstaltungen maßgeblich den zu beschreitenden Weg mitbestimmen. Außerdem haben wir mit ca. 8 Millionen Euro die Hälfte des Projektbudgets für zwei offene Ausschreibungen reserviert. Darin können KMU bis zu 300.000 € für kleine Transferprojekte beantragen, um konkrete Probleme in ihren Unternehmen zu lösen und Technologien der Projektpartner in die Praxis zu bringen. Die erste Ausschreibungsrunde startet im November dieses Jahres. Bis dahin laden wir am 4. und 5. Juli nach Chemnitz an unser Institut zu einem Deep Dive ein. Das Thema ist: „Networked, Smart and Robotized Production“. Auch hier können KMU teilnehmen, das Projekt kennenlernen und vor allem auch mit vielen Partnern des Konsortiums ins Gespräch kommen.
"Das Fraunhofer IWU ist eng vernetzt mit den produzierenden Unternehmen und dem Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen. Die Branche nutzt gebotene Fördermöglichkeiten gemeinsam mit dem Fraunhofer IWU und kann sich dadurch Vorlauf für neue Produkte und Dienstleistungen erarbeiten, was sicher zu ihren Stärken zählt. Aus eigener Kraft können viele Unternehmen – aufgrund ihrer Größe – diesen Vorlauf nicht realisieren."
Jan Reimann, Gruppenleiter Daten- und Informationsmanagement am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU
futureSAX: Auf der futureSAX-Innovationskonferenz 2019 werden Sie im Bereich “Ready to Transfer” Forschungsergebnisse und Kooperationsmöglichkeiten zum Thema “Fabrik 4.0 & Cybersecurity” vorstellen. Was erwartet interessierte Unternehmen und Wissenschaftler?
Jan Reimann: Wir geben auf der futureSAX-Innovationskonferenz einen kleinen Workshop mit dem Thema „RIP – Robots in Problems“. Darin knüpfen wir an die Resultate unseres World Cafés an, das wir auf dem European Robotics Forum in Bukarest gehalten haben. Dort haben wir mit den Gästen für die Themengebiete Robotics, Industrial IoT und Cyber Security aktuelle Herausforderungen, Anforderungen und Ideen erarbeitet. Auf der futureSAX-Innovationskonferenz stellen wir die Resultate aus Sicht der Cyber Security in der Robotik vor. Dieses Thema ist in der Produktion enorm wichtig, wird aber viel zu selten diskutiert. Dazu wollen wir ins Gespräch kommen, unsere bisherigen Resultate erweitern, neue Diskussionspunkte beleuchten und natürlich mögliche Lösungen herausstellen.
futureSAX: Herr Dr.-Ing. Reimann, was war Ihr Beweggrund, Teil des futureSAX-Know-how-Netzwerkes zu werden, und wie wichtig sind branchenübergreifende Plattformen für den Wissens- und Technologietransfer?
Jan Reimann: Ich arbeite am Fraunhofer IWU selbst sehr interdisziplinär. Als Informatiker in einem klassischen Institut des Maschinenbaus und der Produktionstechnik habe ich mit vielen Kollegen anderer Bereiche, vom Elektroingenieur über den Mathematiker bis hin zum Massivumformer, intensiven Kontakt. Durch andere Blickwinkel ist man gezwungen seine Komfortzone zu verlassen. Meistens entstehen dadurch die spannendsten Ideen. Deshalb ist es für mich eine logische Konsequenz, Teil des futureSAX-Know-how-Netzwerkes zu sein, diese branchenübergreifende Plattform zu unterstützen und mich einzubringen.