futureSAX-Alumni-Interview mit Jens Kieselstein

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„Innovation beginnt zunächst im Kopf."

futureSAX-Alumni-Interview mit Jens Kieselstein, Geschäftsführer KIESELSTEIN International GmbH

Jens Kieselstein ist Geschäftsführer der KIESELSTEIN International GmbH aus Chemnitz. Das Unternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1846 zurückreichen, betreut über 600 Kunden in über 50 Ländern. Ende Oktober 2014 wird das Unternehmen auf der Messe „Wire & Cable India“ eine neue Kooperation mit einem indischen Unternehmen eingehen. Die KIESELSTEIN International GmbH gehört zu den Weltmarktführern auf dem Gebiet der Ziehschälanlagen für die Herstellung von Federdraht, der in der Automobilindustrie verwendet wird. Des Weiteren entwickelte KIESELSTEIN das neuartige Produkt strucwire, ein 3-dimensionales Drahtgewebe in Leichtbauweise.

futureSAX: Herr Kieselstein, welche Vorteile hat Ihr neu entwickelter Werkstoff und wo kann er überall eingesetzt werden?

Jens Kieselstein: Unser strucwire bietet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Im Wesentlichen immer dort, wo die Stärken von metallischen Grundstrukturen zum Tragen kommen, also auch bei höheren Temperaturen. Ein großer Vorteil besteht in der Gleichmäßigkeit der Eigenschaften, die durch die Kombination der Drähte erreicht wird. Dabei lassen sich durch den Einsatz des jeweiligen Werkstoffs verschiedenste Eigenschaften der Struktur einstellen, z. B. für eher federnde bzw. feste Kennlinien die Anwendung eines Stahldrahts oder für eher weiche Anwendungen auch der Einsatz von Aluminium. Daraus ergibt sich eine hohe Flexibilität. Ein weiterer Vorteil der Gleichmäßigkeit ist die gute Berechenbarkeit der Struktur. Wir sind augenblicklich dabei, Anwendungsfelder zu erschließen. Natürlich ist ein Fokus der Automobilbau; gleichwohl beschäftigen wir uns mit Projekten im Bereich Arbeitsschutz, Energietechnik (Einsatz als Wärmetauscher) und in der Medizintechnik.

futureSAX: Was war der Anstoß für die Entwicklung des 3-dimensionalen Drahtgewebes? Haben Sie es mit externen Partnern entwickelt? Wie lang dauerte die Entwicklungsphase?

Jens Kieselstein: Der Anstoß für die Entwicklung war vielfältig. Zum einen das Grundinteresse, in unserem Unternehmen innovative Lösungen zu entwickeln. Mit dem Beginn der Fertigung von Drahtprodukten – es handelte sich zunächst um Drahtsiebe und -förderbänder – stand für uns von Anfang an auch die Thematik, etwas Neues zu entwickeln. Einen weiteren Anstoß lieferte das Fraunhofer IFAM in Dresden, welches über einen Kontakt aus Korea eine ähnliche 3-dimensionale Drahtstruktur vorstellte. Diese Struktur lässt sich aus unserer Sicht zum heutigen Zeitpunkt – im Gegensatz zu strucwire – jedoch nicht industriell und damit wirtschaftlich herstellen. Jedoch lieferte diese den Ansatz, strucwire zu entwickeln und zu einer Marktreife zu führen. Aus diesem Konstellation heraus haben wir in einem ersten von der SAB geförderten Projekt gemeinsam mit dem Fraunhofer IFAM in Dresden und dem Institut für Leichtbau der TU Dresden Grundlagen gesammelt, z. B. Berechnungsmodelle und erste Werkstoffkenndaten. In der Folge sind wir in Projekten mit verschiedenen Partnern aktiv, strucwire Anwendungsfeldern zuzuführen. Auch hier spielen Institute der Fraunhofer-Gruppe eine wesentliche Rolle.

futureSAX: Warum sind neue Werkstoffe aus Ihrer Sicht so wichtig und welche Branchen werden Ihrer Meinung nach von diesen in der Zukunft besonders stark profitieren?

Jens Kieselstein: Die Anwendung von neuen Werkstoffen bzw. der Bedarf für deren Entwicklung ist vielfältig und tagespolitisch aktuell. Zunächst der Einsatz von Ressourcen. Ein Thema, mit dem wir uns täglich auseinandersetzen, sei es z. B. zur Erzeugung von Energie. Hier wird nach erneuerbaren Ressourcen gesucht. Das ist nicht zwangsläufig eine Anwendung für neue Werkstoffe. Jedoch in der Folge für Verbraucher, wie z. B. das Automobil, ein Thema, um Kraftstoffverbräuche zu senken und den Sicherheitsanforderungen und den individuellen Bedürfnissen des PKW-Besitzers gerecht zu werden, müssen Fahrzeuge kontinuierlich leichter werden. Daher profitiert im Wesentlichen der Automobilbau von neuen Werkstoffen. Ein Beispiel dafür ist der Werkstoff Aluminium. Vor einigen Jahren wurde Aluminium als neuer Werkstoff in Form eines kompletten Fahrzeugs aus Aluminium bei einem Massenhersteller eingeführt, so finden wir heute Aluminium in nahezu jedem Automobil, mit steigenden Abrufzahlen bei den Herstellern entsprechender Elemente aus diesem Leichtbauwerkstoff. In den Startlöchern stehen weitere Werkstoffe mit denen auch wir uns beschäftigen, z. B. Magnesium, deren Gewicht noch einmal geringer als das von Aluminium ist. Auch hier sind zunächst grundlegende Entwicklungen notwendig, um evtl. Effekte zu erzeugen. Einsparungen von Gewichten spielen dabei auch in anderen, eigentlich immer in bewegten Massen eine Rolle. Interessant ist dabei auch der Aspekt des Leichtbaus im Bau. Auch hier werden Strukturelemente eingesetzt, um ressourceneffizient mit neuen Werkstoffen zu bauen und dabei z. B. auch die Dämmeigenschaften der Häuser zu erhöhen

"In einem innovativen Unternehmen sind letztendlich alle in die Produktentwicklung eingebunden, sei es auf der Seite des Vertriebs, wo die Bedürfnisse der Kunden gebündelt werden und damit Impulse für die Entwicklungsaktivitäten gesetzt werden, als auch auf der Seite der Auftragsbearbeitung."

Jens Kieselstein, Geschäftsführer KIESELSTEIN International GmbH

futureSAX: Neben dem neuartigen Drahtgewebe haben Sie u. a. eine modulare Baureihe einer Hochgeschwindigkeits-Ziehschälanlage entwickelt, die bereits im Jahre 2007 mit dem 3. Platz des Innovationspreises des Freistaates Sachsen ausgezeichnet wurde. Innovationen werden in Ihrem Unternehmen großgeschrieben. Wie viele Mitarbeiter sind in Ihrem Unternehmen mit der Weiterentwicklung von Produkten beschäftigt?

Jens Kieselstein: Zunächst muss gesagt werden, dass wir im Kern ein Anlagenbauer sind, der sich aber auch mit anderen Anwendungsfeldern beschäftigt, bei denen immer das Thema Draht eine Rolle spielt. In einem innovativen Unternehmen sind letztendlich alle in die Produktentwicklung eingebunden, sei es auf der Seite des Vertriebs, wo die Bedürfnisse der Kunden gebündelt werden und damit Impulse für die Entwicklungsaktivitäten gesetzt werden, als auch auf der Seite der Auftragsbearbeitung. Neben dem klassischen Engineeringbereich für unsere Anlagen beschäftigen wir permanent zwei Mitarbeiter, die sich nur um das Thema Forschung und Entwicklung kümmern. In Verbindung mit einem Netzwerk zu Universitäten und Hochschulen und der Betreuung von Techniker- und Abschlussarbeiten versuchen wir, uns immer wieder neue Impulse aus der Theorie zu verschaffen, gleichzeitig aber auch zukünftige Mitarbeiter zu generieren.

futureSAX: Welche Rolle hat für Sie die Teilnahme am Innovationswettbewerb 2007 gespielt. Gab es im Rahmen des Wettbewerbs bzw. im Anschluss positive Effekte für Ihre Innovation?

Jens Kieselstein: Innovation beginnt zunächst im Kopf. Als ich nach Abschluss meines Studiums in die Industrie gegangen bin und dabei auch Gelegenheit hatte, andere Unternehmen kennen zu lernen, war für mich das größte Get-no „Kennen wir schon“/“Haben wir schon gemacht“. Es ist mir wichtig, diese Blockade in der heutigen Arbeit zu beseitigen. Dabei ist es interessant, dass wir doch in unserem Entwicklungsbereich sehr konservativ eingestellte Technik haben, die auf gleichzeitig optimistische und innovative Menschen trifft. Diese Kombination bringt, so hoffen wir, in der Zukunft auch weiterhin optimale Ergebnisse, wie z. B. die Baureihe unserer Hochgeschwindigkeitsziehschälanlage.

Der Wettbewerb hat für uns im Rahmen unserer Teilnahme im Jahr 2007 weniger eine Rolle gespielt. Da dies schon eine Weile zurückliegt, ist es für uns etwas blass, die genauen Beweggründe zu erfassen. Mit dem Abstand betrachtet, war es für uns wichtig, offen unsere innovativen Lösungen zu kommunizieren, um dafür mehr Anwendungspotenzial zu erschließen. Das ist in der Folge auch gelangen. Es macht sich sehr gut, im Rahmen einer Präsentation den Innovationspreis zu erwähnen, sei es vor potentiellen Kunden oder auch vor potentiellen Mitarbeitern, um sich selbst als sog. „Hidden Champion“ zu positionieren. Im Ergebnis unserer Platzierung im Rahmen des Wettbewerbs sind wir alle, von der Geschäftsführung bis zu den Mitarbeitern, stolz auf das geleistete, denn es ist, da wir bis dahin der Meinung waren, aus einer sehr konservativen bis innovationslosen Branche zu kommen, eine tolle Auszeichnung im Rahmen von hochinnovativen Produkten mit ausgezeichnet zu werden.

Mehr Informationen zur KIESELSTEIN International GmbH finden Sie hier.

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