futureSAX-Interview Prof. Sebastian Scholz Fraunhofer FKO

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"Branchenübergreifende Plattformen wie futureSAX schaffen eine Schnittstelle für den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft."

futureSAX-Interview mit Prof. Dr.-Ing. Sebastian Scholz, Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz

Die Industrie zeigt einen großen Bedarf an der Unterstützung im Bereich Forschung und Entwicklung. Diesem kommt, vor allem im Bereich Leichtbau, das Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz in Zittau nach. Prof. Dr.-Ing. Sebastian Scholz, Leiter des Zentrums gibt im Interview einen Überblick über Forschungsschwerpunkte und neue Perspektiven.

futureSAX: Herr Prof. Scholz, das Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz (FKO) wurde 2011 als Teil des Fraunhofer IWU in Zittau etabliert. Bitte erläutern Sie kurz, welche Schwerpunkte Sie in Ihrer Arbeit am Zentrum verfolgen.

Prof. Scholz: Die wesentlichen Forschungsschwerpunkte am FKO sind einerseits die Entwicklung von kunststoffbasierten Bauteilen mit hoher Funktionsintegration, sodass aufwendige Montageprozesse entfallen und Produktionskosten deutlich gesenkt werden können. Andererseits erforschen wir neue Kunststoffverarbeitungsverfahren zur ressourceneffizienten und wirtschaftlichen Herstellung von Leichtbaustrukturen auf Basis textilverstärkter Kunststoffe und der additiven Fertigung, dem sog. 3D-Druck. Bei den Forschungsprojekten zum 3D-Druck geht es in erster Linie um belastbare Produkte in Kleinserie, die sich ohne Werkzeuge und aufwendige Vorrichtungen herstellen lassen. Noch sind 3D-Druckverfahren insbesondere in der Automobilindustrie nicht etabliert, weil der Herstellungsprozess relativ lange dauert. Bei großen Stückzahlen ist das nicht rentabel. Unser Team arbeitet daran, die Verfahren schneller und effizienter zu machen, damit sie auch für die Automobilisten relevant werden.

futureSAX: Welchen Einfluss hat das Fraunhofer-Kunststoffzentrum auf die regionale Innovationskraft und insbesondere den Transfer von der Forschung in die Praxis?

Prof. Scholz: Um den wachsenden Bedarf der regionalen Industrie nach Spitzenforschung und Entwicklung gerecht zu werden, wird das Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz zukünftig seine Kernkompetenzen im regional wichtigen Bereich der Kunststoffverarbeitung ausbauen. Der stetig wachsende Bedarf an großserientauglichen, wirtschaftlichen Leichtbaustrukturen für mobile Anwendungen wie im Fahrzeug- und Maschinenbau eröffnen der kunststoffverarbeitenden Industrie neue Perspektiven.

Egal ob privat oder geschäftlich, generell gilt: Beziehungen schaden nur demjenigen, der keine hat. Ein gut gepflegtes Netzwerk kann zu größeren Erfolgschancen verhelfen.

Prof. Dr.-Ing. Sebastian Scholz, Leiter Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz in Zittau

futureSAX: Es gibt sicherlich viele Beispiele, wie Ideen, die am Fraunhofer-Kunststoffzentrum entwickelt und erfolgreich in die Wirtschaft transferiert wurden. Können Sie uns eins nennen?

Prof. Scholz: Ein solches Beispiel ist etwa die erfolgreiche Entwicklung des sog. SEAM-Verfahrens (Screw Extrusion Additive Manufacturing), einer neuartigen, hocheffizienten 3D-Druck-Technologie auf Basis eines Schneckenextruders mit intelligenter Austragsdüse. Die Förderleistung des extruderbasierten 3D-Druckers ist bis zu 100mal höher als bei konventionellen 3D-Druckern. Damit lassen sich in relativ kurzer Zeit ohne jegliche Formen oder Werkzeuge belastbare Bauteile aus einfachem Spritzgussgranulat herstellen. Das SEAM-Verfahren ermöglicht somit die schnelle und kostengünstige Herstellung komplexer und leichter Bauteile für kleine und mittlere Serien, etwa in der Luftfahrt, der Schienenfahrzeugtechnik oder für Sonderfahrzeuge im Automobilbau.

futureSAX: Im Frühjahr 2019 soll die Erweiterung des Zentrums mit einem geschätzten Investitionsvolumen von 6 Millionen Euro beginnen. Welche Möglichkeiten verbinden sich damit für die zukünftige Zusammenarbeit mit Unternehmen in der Region und darüber hinaus?

Prof. Scholz: Unser Fokus liegt vorrangig auf regionalen Firmen in der Oberlausitz und den grenznahen Bereichen in Tschechien und Polen. Mit ihnen wollen wir intensiv in Forschung und Entwicklung kooperieren, um die Innovationsfähigkeit und damit die Wirtschaftskraft und Zukunftsfähigkeit der hiesigen Unternehmen zu stärken. Dafür statten wir unsere Versuchsräume ab 2019 mit hochmodernen Fertigungsmaschinen und Analysegeräten für die Kunststofferarbeitung, den Leichtbau und den 3D-Druck aus. Wenn der Anbau fertiggestellt ist, stehen auch 30 neue Büroarbeitsplätze zur Verfügung. Sie sollen systematisch mit qualifiziertem wissenschaftlichen Personal besetzt werden. Somit entstehen neue Möglichkeiten und neue Kapazitäten für den großen Bedarf der Industrie an Unterstützung im Bereich Forschung und Entwicklung.

futureSAX: Die Verarbeitung von Kunststoffen in der Oberlausitz hat eine sehr lange Tradition und eine hohe Unternehmensdichte. Wo sehen Sie die Stärken und Schwächen der Branche für die Zukunft?

Prof. Scholz: In der Oberlausitz ist mit 90 Unternehmen und 4500 Beschäftigten ein Viertel der sächsischen Kunststoffindustrie angesiedelt. Gegenüber dem Bundesdurchschnitt ist das eine viermal höhere Dichte an Kunststoffunternehmen. Know-how, Qualität und gut ausgebildetes Personal machen den Erfolg der Oberlausitzer Kunststofftechnik aus. Die Firmen vor Ort bieten die komplette Palette von der Produktentwicklung und -vermarktung über die Einzel- und Serienfertigung bis hin zur Entwicklung von Baugruppen und Systemen – es kommt also alles aus einer Region.
Diese Leistungsfähigkeit schätzen viele zufriedene Kunden, z.B. aus dem Fahrzeugbau, der Haushalts- und Elektroindustrie, dem Maschinen- und Anlagenbau oder der Medizin- und Telekommunikationstechnik. Um sich weiter auf dem internationalen Markt durchzusetzen, ist es unumgänglich, in neue Produkte und Verfahren zu investieren. Es braucht aber auch qualifizierte Fachkräfte. Sie gilt es zu gewinnen und auszubilden. Hierbei unterstützt das Fraunhofer-Kunststoffzentrum zusammen mit der Hochschule Zittau/Görlitz, der BA Bautzen und dem Polysax Bildungszentrum Kunststoffe die Region Oberlausitz.

futureSAX: Was war Ihr Beweggrund, Teil des Sächsischen Transfer-Netzwerkes zu werden, und wie wichtig sind branchenübergreifende Plattformen für den Wissens- und Technologietransfer?

Prof. Scholz: Das FKO hat bisher ausschließlich positive Erfahrungen mit der branchenübergreifenden Anwendung der eigenen Kompetenzen und Technologien gemacht. Wesentlicher Erfolgsfaktor sind dabei interdisziplinäre Forschungs-und Entwicklungsteams. Branchenübergreifende Plattformen schaffen somit eine Schnittstelle für den Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Jeder Partner bringt Teile des eigenen Netzwerkes in das entstehende Beziehungsgeflecht ein und erweitert es so ständig. Aber egal ob privat oder geschäftlich, generell gilt: „Beziehungen schaden nur demjenigen, der keine hat“. Ein gut gepflegtes Netzwerk kann zu größeren Erfolgschancen verhelfen.

futureSAX: Vielen Dank für das Interview.

Mehr Informationen zum Fraunhofer-Kunststoffzentrum Oberlausitz finden Sie hier.

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