futureSAX-Alumni-Interview mit Tobias Schaugg

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„Alles für eine Idee zu geben, das ist essenziell.“

futureSAX-Alumni-Interview mit Tobias Schaugg, CFO Spread Group

 

Vom studentischen Start-up zur international agierenden Unternehmensgruppe: Im futureSAX-Alumni-Interview mit Tobias Schaugg von der Spread Group, gibt er spannende Einblicke in die Meilensteine des Unternehmens, welche Herausforderungen dabei zu meistern waren sowie wertvolle Tipps für lernende Organisationen.

futureSAX: Im Jahr 2002 als ein studentisches Start-up gegründet, ist die Spread Group heute eine international agierende Unternehmensgruppe mit knapp 170 Mio. EUR Umsatz. Zum Portfolio gehören die Brands Spreadshirt, Spreadshop, SPOD und TeamShirts. Welche Meilensteine kommen Ihnen, da Sie seit 2009 an Bord sind, in den Kopf?

Tobias Schaugg: Das ist ein langer Zeitraum und es gibt einige große Etappenziele zu nennen.

Cash Flow sichern und Operational Excellence

Als ich im Jahr 2009 zu Spreadshirt (heute Spread Group) kam, galt es zunächst den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Um mit den vorhandenen Mitteln den Turnaround zu schaffen haben wir zum einen Kosten gesenkt und zum anderen die Effektivität des Onlinemarketings erheblich gesteigert. Im Zusammenspiel mit einem periodengerechten Reporting, das über KPIs zum Teil täglich Rückmeldung über die Business Performance gibt, wurden in dieser Phase die Grundlagen der „Operational Excellence“ gelegt. Das bildet die Basis unserer Profitabilität und befähigt, erhebliche Mittel aus dem eigenen Cashflow zurück in das Marketing fließen zu lassen. Davon profitieren wir noch heute.

Vom Monolithen zur servicebasierten Architektur

Das ist zwar kein originäres CFO-Thema, aber für die gesamte Skalierbarkeit super wichtig. Als „mass customization business“ – ja, so hieß das damals – läuft natürlich nichts ohne entsprechende Plattformfunktionalitäten, die eine automatisierte Bearbeitung der Transaktionen ermöglichen und den Kunden weitgehende Self-Service-Möglichkeiten geben.

Wir brauchten anstelle eines monolithischen Systems für die weitere Plattformentwicklung und die nötige Skalierbarkeit eine servicebasierte Architektur. Dabei haben wir große Fortschritte erzielt, aber 10 Jahre später arbeiten wir immer noch daran. Ich erwähne das, weil es m.E. zu den umfangreichen Fragestellungen gehört, die sich im Laufe der Zeit bei den erfolgreichen Start-ups stellen. Re-Plattform oder Re-Faktor: Patentrezepte gibt es dafür nicht, jeder muss seine eigene Antwort finden. Teurer ist beides, ebenso risikoreich.  

Youtube Merchandising: Die Anfänge von Spreadshop

Der Launch von Spreadshop als eigenständige Marke war ein Meilenstein. Mit dem Shop-System konnten Youtuber ohne kaufmännische Organisation bzw. Kenntnisse Merchandise anbieten und an ein internationales Publikum verkaufen –ohne rechtliche Risiken oder vorab getätigten Investitionen. Das war zu dieser Zeit, einzigartig. Damit hat das Geschäft in den USA richtig Fahrt aufgenommen.

Heute kann jeder Creator, Designer oder jedes Unternehmen einen eigenen Online-Shop superschnell und kostenlos mit Spreadshop aufsetzen und individuelle Designs auf 250+ Produkten anbieten.

Spreadshirt Premium Kollektion

Die Entwicklung unserer eigenen Kollektion (2013) war ein wichtiger Schritt. Mit der Diskussion um Lieferketten und Nachhaltigkeit hat sich der strategische Nutzen dieser Initiative sogar noch gesteigert. Damals gab es kaum ein brauchbares Sortiment, das den Anforderungen an Druckqualität, globaler Verfügbarkeit, Farbauswahl sowie einer maximalen Größenrange bei akzeptablen Preisen entsprach. Mit einer eigenen Kollektion konnten wir all das umsetzen. Hinzu kommt die Kontrolle über den gesamten Produktzyklus. Mittlerweile haben wir 47 Artikel in sämtlichen Farb- und Größenausprägungen in unserer eigenen Premium-Linie und erweitern sie stetig.

TeamShirts geht an den Start

Ende 2014 haben wir TeamShirts gelauncht. Eine Marke, die sich voll auf das Segment von Gruppenbestellungen im Sport, in Unternehmen und Vereinen kümmert. Bereits im Jahr 2019 machte TeamShirts über 10 Millionen Euro Umsatz. Seit 2020 ist die Marke auch in den USA aktiv.

Next Level Print on-demand: Digitaldruck

2016 haben wir alle Designs, die auf den Spreadshirt Marktplätzen und in Shops angeboten wurden, auf Digitaldruck umgestellt. Dadurch haben wir enorme Effizienzgewinne in der Produktion realisiert. Das heutige Druckvolumen wäre mit dem hohen manuellen Aufwand des Foliendrucks und den saisonalen Skalierungsanforderungen nicht vorstellbar. 2020 haben wir z.B. 9,8 Mio. Bekleidungsartikel und Accessoires bedruckt und verschickt.

SPOD: Spreadshirt-Print-on-Demand

Mit dem Launch des Dropshipping-Services SPOD in den USA haben wir 2018 ein neues Geschäftsfeld betreten. Wir haben gezeigt, dass wir in der Lage sind, unsere Kernkompetenzen – das Bedrucken von Produkten mit digital bereitgestellten Motiven – in einen neuen Anwendungskontext zu bringen. Mit dem Aufkommen offener Shoplösungen, die nicht über eine eigene Produktion verfügen, entstand ein Markt, den wir mit unserer Druck- und API-basierten Auftragsabwicklung schnell fruchtbar machen konnten. Mittlerweile ist SPOD auch in Europa verfügbar.

Die Corona-Pandemie als Innovationstreiber

Die Pandemie hatte erhebliche Auswirkungen auf das Business und uns vor große Herausforderungen gestellt. Mit den verschiedenen Geschäftsfeldern und Brands sind wir breit aufgestellt, sodass wir das Risiko gut streuen konnten. Zum Beispiel haben Team- und Gruppenbestellungen nachgelassen, doch Geschenke und individuelle Produkte sind durch die Decke gegangen.

Was mich wirklich beeindruckt hat, besonders in den Anfängen der Pandemie, war die ungeheure Schnelligkeit, mit der das gesamte Team neue Lösungen und Produkte vorangetrieben hat. Mitten in der Kurzarbeit haben wir uns auf das Notwendigste konzentriert, sämtliche Projekte mussten pausieren. Es hat jedoch nur ein paar Wochen gedauert und wir hatten bedruckbare Community-Masken im Sortiment. Das war eine klasse Leistung.

Viele Wege führen nach Rom und wenn man wirklich an die Idee glaubt, werden sich auch Unterstützer finden, die das Vorhaben finanzieren.

Tobias Schaugg, CFO Spread Group

futureSAX: Im vergangenen Jahr konnten verschiedene Innovationen in den Markt gebracht werden, unter anderem wurde die Textilveredelungsart Stick in all ihren europäischen Märkten eingeführt. Wie schafft es die Spread Group auch über das Wachstum hinweg innovativ zu bleiben?

Tobias Schaugg: Da haben wir gar keine Wahl und entwickeln uns proaktiv ständig weiter. Dabei ist es gar nicht so sehr die Frage, über welche Themen das gelingen kann. Viel schwieriger ist es, zu einer abgestimmten Priorisierung der Themen zu kommen. Dabei muss man vor allem den erwarteten Nutzen einer Innovation dem Vorbereitungsgrad, also dem Aufwand in der Organisation gegenüberstellen. Auch die strategische Zielrichtung spielt eine entscheidende Rolle.

Der Kommunikationsaufwand hierzu ist erheblich, um festzulegen, woran in den Quartalen mit welcher Priorität gearbeitet wird. Ich sehe hier vor allem die Gefahr, dass Unternehmen unmittelbar wirkenden Verbesserungen eher den Vorrang geben wie z.B. besseren Zahlmethoden, neuen Produkten o.ä. Dabei haben mittelbare Enabler, bei denen die Nutzen-Aufwand-Relation vielleicht nicht direkt ersichtlich ist, langfristig oftmals einen größeren Hebel.

futureSAX: Als CFO eins global agierenden Unternehmens stellen Sie die Weichen für die finanzielle Struktur des Unternehmens, um langfristig erfolgreich am Markt zu sein. Wie änderte sich die Rolle des CFO im Rahmen der Wachstumsphase von Spreadshirt in den letzten Jahren?

Tobias Schaugg: Das dürfen wir auf keinen Fall nur auf die „finanzielle Struktur“ begrenzt sehen. In den frühen Phasen eines Unternehmens stehen natürlich die Finanzierung des Wachstums sowie die Sicherstellung der Liquidität im Vordergrund. Nichts wäre der großen Idee abträglicher, als wenn plötzlich das Geld ausgeht. Dazu muss man solide Planungs- und Forecast-Prozesse aufbauen und etablieren.

Parallel dazu sehe ich es als die Aufgabe des CFO, die verschiedenen Geschäftsbereiche mit steuerungsrelevanten finanziellen und operativen Daten sowie Informationen zu versorgen. So kommen Selbststeuerungsprozesse in Gang und das Team kann richtige Entscheidungen treffen und im Nachgang beurteilen, ob Veränderungen die gewünschten Effekte bewirken. Kenngrößen werden klarer, die wesentlichen Treiber treten hervor und man stellt sicher, dass das Team an einem Strang zieht.

Dabei halte ich zwei Dinge für wesentlich: Zum einen die Qualitätssicherung der Daten. Nur valide Daten dürfen verfügbar gemacht werden. Zum anderen ist die Frequenz der Daten-Bereitstellung wichtig. Bei monatlichen Reports hat man 12-mal im Jahr die Chance was zu lernen, bei einem täglichen Report kann man die eigenen Hypothesen 365-mal im Jahr überprüfen. Natürlich kostet es erstmal Zeit, diese Reportings zu etablieren und es kommt auch ganz schön was zusammen, was man sich ansehen muss. Doch eine lernende Organisation braucht Feedback-Loops.

Ist das Business etabliert und vielleicht sogar profitabel, ist es spätestens Zeit, sich um die Compliance-Themen zu kümmern. Im Eifer des Gefechts oder bei schnellen Wachstumsphasen bestehen möglicherweise noch nicht ausreichende Maßnahmen, die den nachhaltigen Geschäftserfolg gefährden könnten. Oftmals betritt man auch Neuland. Gerade bei neuartigen Produkten und Dienstleistungen ist es häufig erstmal gar nicht klar, wie diese rechtlich und steuerlich einzuordnen sind. Hier hilft es, das Unternehmen von außen zu betrachten. Externe Berater wissen nicht immer eine Lösung, doch sie können helfen, eigene Vorschläge einzuordnen und zu bewerten. Zudem zählen nicht immer nur KPIs und Wachstum, sondern auch wie nachhaltig das Business ist, wie viel Fantasie da drinsteckt, wie die eigene Positionierung aussieht und wie das Unternehmen von außen wahrgenommen wird.

Für mich ist die Spread Group ein tolles Anschauungsbeispiel, wie sich Innovation verändert und welche Herausforderungen über die Jahre auf einen zukommen. Auch nach 12 Jahren in dem Unternehmen wird es nicht langweilig.

futureSAX: Auch in diesem Jahr findet erneut der Sächsische Gründerpreis, vormals futureSAX-Ideenwettbewerb, statt. Im Jahr 2002 wird Spreadshirt beim Kölner Businessplan-Wettbewerb NUK ein „unrealistisches Geschäftsmodell“ bescheinigt, ein halbes Jahr später wird die Idee wiederum beim Businessplan-Wettbewerb „futureSAX“ des Landes Sachsen ausgezeichnet. Welchen Tipp haben Sie für Gründungen, mit Rückschlägen verschiedener Art umzugehen?

Tobias Schaugg: Meist kommt der CFO erst später an Bord, wenn das Business die ersten Hürden überlebt hat und es um das Skalieren geht. Trotzdem habe ich über die Jahre viel gesehen und möchte folgenden Rat mitgeben: Nie aufgeben!

Lukasz Gadowski (Gründer von Spreadshirt) imponiert mir sehr mit seiner unnachahmlichen Fähigkeit schwierige, vermeintlich unlösbare Situationen zum Erfolg zu bringen. Alles für eine Idee zu geben, das ist essenziell.

Was ich auch wichtig finde, ist, nicht dogmatisch zu sein. Wenn die ersten Hürden auftauchen oder sich Wege versperren, flexibel bleiben und nicht versuchen, mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. Viele Wege führen nach Rom und wenn man wirklich an die Idee glaubt, werden sich auch Unterstützer finden, die das Vorhaben finanzieren.

Mehr zur Spread Group erfahren Sie hier.

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