„Wir suchen die Lösung im Bauteil selbst… "

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„Wir suchen die Lösung im Bauteil selbst… "

futureSAX hat mit Mattes Brähmig über das Anliegen und die Ziele des Smart³ e. V. gesprochen. Smart³ ist eine Initiative von Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen mit Ziel der Entwicklung neuer, innovativer Produkte auf Basis von smart materials. Über 80 Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten unter dem Vereinsvorsitz des Fraunhofer-Instituts für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU an neuen Lösungen.

Herr Brähmig, bitte beschreiben Sie Ihre Einrichtung in wenigen Worten. Welche Bedeutung hat das „hoch 3“ im Namen Ihres Vereins?

Smart³ bezieht sich zum einen auf den Dreiklang „materials – solutions – growth“, den Namenszusatz des Netzwerks. Er verdeutlicht, dass wir mit Hilfe der smart materials innovative, im besten Fall disruptive, Lösungen schaffen. Diese Lösungen – Anwendungen, Produkte oder Verfahren – verschaffen unseren Netzwerkpartnern langfristige Wettbewerbsvorteile und damit Wachstumspotenziale und tragen so zur Zukunftsfähigkeit mittelständischer Unternehmen in den neuen Bundesländern bei.

Gleichzeitig soll die dritte Potenz unseren interdisziplinären Ansatz verdeutlichen: Bei smart³ betrachten wir Projekte immer aus mehreren Blickwinkeln. Bei uns arbeiten Ingenieure, Designer, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler, Unternehmer und Techniker gemeinsam an einer Aufgabe, um am Ende tatsächlich passfähige, auf die Bedingungen der Aufgabe und die Bedürfnisse der Anwender zugeschnittene Lösungen zu entwickeln.

Produkte und Komponenten weisen eine stetig steigende Komplexität an Bauteilen und wachsende gegenseitige Abhängigkeiten auf. Damit steigen neben der Störanfälligkeit häufig auch der Platzbedarf und der Energieverbrauch. Der smart3 e. V. hat sich zur Aufgabe gemacht diese Probleme zu lösen. Wie ist hier Ihre Herangehensweise?

Wir suchen die Lösung im Bauteil selbst. Das heißt, wir lösen uns vom Paradigma der Trennung von Funktions- und Strukturbauteilen und integrieren stattdessen die Funktionalität direkt in die Bauteilstruktur. Smart materials bieten hierfür ungeahnte Potenziale – so können wir komplexe Sensor-Aktor-Systeme beispielsweise einfach durch einen scheinbar unscheinbaren Draht ersetzen, reduzieren damit die Bauteilanzahl, den benötigten Platz und den Energiebedarf. Und das alles auf einmal.

Smart materials besitzen die wunderbare Fähigkeit, sich selbstständig und wiederholbar an Veränderungen ihrer Umgebung anzupassen. Das nutzen wir, um etwa diese Veränderungen zu erfassen und/oder die Systeme selbstständig darauf reagieren zu lassen. Dort wo wir bisher aufwendige Aufbauten und komplexe Systeme benötigt haben setzen wir nun spezielle Metalle, Keramiken oder Kunststoffe ein – so können wir Temperaturveränderungen oder mechanische Einwirkungen auf Bauteile erkennen, Öffnungs- und Schließmechanismen sowie andere Stellvorgänge aktivieren, Bewegungen in Gang setzen oder auch Implantate dauerhaft im Körper eines Patienten verankern.

Welche Bedeutung hat der Wissens- und Technologietransfer aus Ihrer Sicht für die wirtschaftliche Entwicklung im Allgemeinen und für Ihre Einrichtung im Speziellen?

Der Austausch von und über Wissen und Technologien ist eine Schlüsselkomponente in der Entwicklung neuer Verfahren und Produkte. Dies gilt nicht nur für die vertikale Kommunikation innerhalb von Wertschöpfungsketten, also zwischen vor- bzw. nachgelagerten Entwicklungsstufen, sondern auch auf horizontaler Ebene – zwischen Partnern auf der gleichen Wertschöpfungsstufe.

Während unserer bisherigen Projektarbeit innerhalb von smart³ haben wir gelernt, dass die Zusammenarbeit über Fachgrenzen hinaus nicht immer einfach ist, dass das Teilen von Wissen und Technologien sich aber in jedem Fall auszahlt.

Damit meine ich nicht nur den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse von Forschungseinrichtungen in die Wirtschaft – für viele Unternehmen eine Grundvoraussetzung für ihre Zukunftsfähigkeit.

Vielmehr geht es um das Zusammenwirken ganz unterschiedlicher Akteure auf Augenhöhe. So entwickelt der Ingenieur ein Produkt meist aus technischer Sicht – er kennt die Wirkprinzipien, die optimale Auslenkung, den technischen Mitteleinsatz, etc. Der Designer hingegen sieht das Produkt als Mittel, mit dem der Anwender ein Problem, eine Aufgabe lösen möchte. Er denkt die Produktentwicklung also aus Sicht des Nutzers. Der Betriebswirt wiederum sucht die wirtschaftlich möglichst effizienteste Weise zu Herstellung und Auslieferung, er stellt dem Aufwand der Entwicklung deren wirtschaftlichen Nutzen gegenüber. Wenn alle diese Parteien als gleiche Partner zusammenarbeiten, dann entstehen Gewinn bringende Produkte sowohl für die Entwickler und Hersteller als auch für den Anwender. Das klingt trivial – ist in der Realität jedoch sehr komplex.

Eine Vielzahl von Ingenieuren, Designern, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlern, Unternehmern und Technikern arbeiten gemeinsam bei smart³ an den unterschiedlichsten Problemlösungen. Hierfür ist sicherlich ein sehr intensiver Wissens- und Technologietransfer notwendig. Mit welchen Transferinstrumenten haben Sie bisher die besten Erfahrungen gemacht?

Wir haben relativ schnell gemerkt, dass Menschen unterschiedlicher Professionen nicht dasselbe meinen wenn sie das Gleiche sagen. Begriffe werden zum Teil unterschiedlich definiert oder in anderen Kontexten verwendet, ohne dass dies den Sprechern bewusst ist. Insbesondere im interdisziplinären Rahmen lohnt es sich darum, zunächst eine Art Metakommunikation zu führen, also über die gemeinsame Kommunikation zu sprechen, Begrifflichkeiten und Vorstellungen zu klären und ein Verständnis für die Arbeitsweise des Anderen aufzubauen. Nehmen Sie zum Beispiel den Begriff „Materialeigenschaft“. Für den Ingenieur meint dies Steifigkeit, Leitfähigkeit, Viskosität, etc. Für einen Designer hingegen sind das Geruch, Haptik oder Wärme. Solange beide Seiten den Begriff nutzen ohne die Bedeutung für ihr Gegenüber zu kennen, wird kein echter Wissenstransfer stattfinden können.

So haben wir zu Beginn von smart³ ein Projekt gestartet, das sich mit der Vermittlung von Fachwissen zwischen Ingenieuren und Designern und damit der Kommunikation der beiden Disziplinen untereinander beschäftigt. Entstanden sind daraus zum Beispiel eine Werkstoffdatenbank sowie Demobausteine und andere Werkzeuge, die die Wissensvermittlung auch an Fachfremde ermöglicht.

Daneben entstehen in smart³ derzeit fach- und werkstoffspezifische Datenbanksysteme, etwa entlang der Wertschöpfungskette von piezokeramischen Systemen bzw. zum Austausch über die vorhanden Technologien und Kompetenzen im Netzwerk.

In diesem Jahr haben wir zudem das Magazin „merlin“ als Transfermedium gestartet. Im Magazin werden die Akteure des Netzwerks sowie aktuelle Projekte redaktionell aufbereitet vorgestellt. Darüber hinaus bietet „merlin“ auch Raum für weitere interessante Themen und Entwicklungen. „Merlin“ ist weniger Nature als vielmehr Geo, also ein Medium für den Wissenstransfer aus der Wissenschaft und den Unternehmen nicht nur in unser Netzwerk sondern verständlich für weite Teile der Gesellschaft.

Abseits aller Tools lässt sich jedoch sagen, dass der persönliche Austausch von Wissen noch immer essenziell für das Gelingen von Projekten ist. Aus diesem Grund treffen sich nicht nur die Partner der Einzelprojekte regelmäßig, sondern haben wir mit den jährlichen smart³-Tagen ein Veranstaltungsformat geschaffen, auf dem wir neben allgemeinen Neuigkeiten und der Information über den Fortschritt der verschiedenen Projekte besonders dem Netzwerken unserer über 100 Mitglieder Raum einräumen.

Was würden Sie anderen Initiativen im Bereich des Wissens- und Technologietransfer raten?

Letztlich steht und fällt der Wissens- und Technologietransfer mit der Bereitschaft der Partner zu Kommunikation und Kooperation. Vor der Einführung von Transferinstrumenten sollte sichergestellt sein, dass diese von den Mitgliedern genutzt werden und in deren Organisations- und Arbeitsschemata passen. Insbesondere bei interdisziplinären Initiativen ist ein Verständnis für Arbeitsweise des Partners essenziell.

Und: Hinterfragen Sie, ob Ihr Partner Sie wirklich verstanden hat – gerade wenn Sie scheinbar die gleichen Begriffe benutzen.

Was war Ihr Beweggrund, Teil des futureSAX-Know-how-Netzwerkes zu werden, und wie wichtig sind branchenübergreifende Plattformen für den Wissens- und Technologietransfer?

Wir kennen und schätzen futureSAX als Impulsgeber für Innovation insbesondere im Bereich der Gründung. Insbesondere das Matchmaking zwischen Wissenschaft und Unternehmen, Gründern und Investoren aber auch zur Politik sehen wir als absolut unterstützenswert an. Insofern ähneln sich die Ziele von smart³ und futureSAX – nämlich Menschen mit Ideen zusammenbringen und daraus die Produkte von morgen entstehen zu lassen.

Aus unserer Erfahrung sind Disziplinen übergreifende Plattformen Inkubator und Marktplatz für neue Ideen und deren Umsetzung. Durch das Zusammenführen unterschiedlicher Erfahrungen und verschiedenen Know-hows kann wirklich Neues entstehen. Unternehmen finden hier komplementäre Partner zur Verwirklichung neuer Produkte, Wissenschaftler können ihre Ideen in die Wirtschaft tragen, Gründer finden Unterstützer für ihr Vorhaben.

Wie kann Ihrer Meinung nach der Wissens- und Technologietransfer von der Forschung in die Anwendung noch besser unterstützt werden?

Hier bewegen wir uns – passend zum „hoch 3“ Ihrer Eingangsfrage – in einem Dreieck aus Wissenschaft, Wirtschaft und interessierter Öffentlichkeit. Insbesondere letztere sollte beim Wissens- und Technologietransfer nicht unterschätzt werden, da diese Gruppe ja den überwiegenden Teil der Käufer, Nutzer und Anwender neuer Produkten darstellt. Insbesondere bei neuen Technologien wie den smart materials steht dabei die Frage der Akzeptanz durch diese Entscheider im Vordergrund und kann über Erfolg und Misserfolg eines Produktes oder einer Technologie entscheiden. Das merken auch wir bei smart³. Aus diesem Grund nutzen wir die Expertise von Einrichtungen wie dem Bauhaus Dessau oder den Technischen Sammlungen in Dresden zur Wissensvermittlung.

Neben der Technologieförderung sollten solche Kooperationen zwischen Wissenschaftseinrichtungen, Unternehmen und eben jener Vermittlungsinstanzen wie den Museen stärker in den Fokus der Förderpolitik rücken.

Durch die Wissensvermittlung an die interessierte Öffentlichkeit bauen wir Berührungsängste ab und schaffen so die Grundlage für den nachhaltigen Erfolg innovativer Ideen.

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